Warum keine zusätzlichen Wasserstoffzüge fahren

Zwei Bundesländer entscheiden sich unabhängig voneinander für batterie-elektrische Triebwagen, da sie wirtschaftlicher sind als wasserstoffgetriebene.

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Einer der Wassstoffzüge im Einsatz in Norddeutschland.

(Bild: evb / Sabrina Adeline Nagel)

Lesezeit: 4 Min.

102 batterie-elektrische Triebwagen will die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) ab 2029 auf norddeutschen Strecken einsetzen. Sie sollen bis 2037 sukzessive alle Diesel-Fahrzeuge ersetzen.

Das bemerkenswerte daran: Weitere Wasserstoff-Züge sind nicht eingeplant. Dabei hat die LNVG das weltweit erste Pilotprojekt dieser Art auf den Weg gebracht. Seit 2018 betreibt sie zwei Wasserstoff-Triebwagen vom Typ Alstom Coradia iLint auf den Strecken der Verkehrsbetrieben Elbe-Weser (evb) zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude. Im August 2022 kamen weitere zwölf Triebwagen hinzu. Sie sollen auch weiterhin ihren Dienst tun und ab 2024 die Dieselzüge auf den evb-Strecken vollständig ersetzen. 93 Millionen Euro wurde in das Projekt investiert. Davon wurde auch eine eigene Wasserstoff-Tankstelle in Bremervörde gebaut.

Für die Elektrifizierung der restlichen norddeutschen Strecken setzt die LNVG nun aber ausschließlich auf Akkus oder Oberleitungen. Eine Markterkundung ergab: "Akku-Züge sind im Betrieb günstiger", heißt es in der entsprechenden Pressemeldung. Die ersten batterie-elektrischen Züge sollen 2029 auf den "Heidekreuz"-Linien südwestlich von Lüneburg in Betrieb gehen.

Das Wasserstoff-Projekt fand auch international große Aufmerksamkeit. Die Entscheidung, jetzt ohne Wasserstoff weiterzumachen, wurde oft als Scheitern dieses Ansatzes interpretiert. LNVG-Pressesprecher Dirk Altwig widerspricht: "Uns ist wichtig, dass die Entscheidung 'Wasserstoff oder Akku' für jedes einzelne Netz in Niedersachsen geprüft wurde. Wir hätten auch weitere Netze mit Wasserstoff-Zügen betrieben, wenn das entsprechende Ergebnis herausgekommen wäre." Die Alltagserfahrungen mit den Wasserstoffzügen seien "unterm Strich sehr positiv" gewesen. Im Vergleich zum Diesel freuten sich Fahrgäste, Anwohner und Lokführer über einen sanfteren und leiseren Betrieb. "Eine evb-Kollegin hat das mal so formuliert: 'Du gibst Leistung und von den Elektromotoren kommt sofort was.'"

Das Online-Magazin Quartz hatte von zahlreichen Schwierigkeiten berichtet. "Die Züge erforderten neue Hardware und Software, um für die Routen angepasst zu werden, der Personalmangel hatte keine Zeit für die Umschulung der Lokführer auf Wasserstoff gelassen, und es gab Problem beim Betanken im Winter." Altwig entgegnet: "Die Wasserstoffzüge demonstrieren, dass das System funktioniert. Bei Details hat es Schwierigkeiten gegeben, das ist bei einer weltweit neuen Technik nicht ungewöhnlich und nicht überraschend, da ging es zum Beispiel um das Zusammenspiel von Softwareversionen."

Die Wasserstoffzüge haben eine Reichweite von über 1.000 Kilometern. "Das reicht, um das evb-Netz rund um Bremervörde einen ganzen Tag lang ohne Nachtanken zu bedienen", so Altwig. Die Reichweite der Akku-Züge sei dagegen deutlich kürzer.

Der emissionsfreie Zug Coradia iLint von Alstom (7 Bilder)

Der Coradia iLint soll nicht nur keine giftigen Abgase von sich geben, sondern auch leiser als andere Züge sein.

(Bild: Alstom)

Die Markterkundung habe dennoch gezeigt, dass bei den "anderen noch nicht elektrifizierten Netzen in Niedersachsen Batterie die günstigere Alternative zum Diesel ist". Ausnahme sei nur die Strecke Oldenburg – Osnabrück, die sinnvollerweise komplett mit Oberleitungen versehen werden sollte.

Was den Ausschlag für den Akku gegeben habe: Auf Teilstrecken oder in Bahnhöfen sind bereits Oberleitungen vorhanden, an denen die Züge aufladen können. Zudem ließen sich "vorhandene Oberleitungsanlagen leicht verlängern, ohne zusätzliche Energieversorgungsinfrastruktur schaffen zu müssen", so die LNVG. Die Batterien müssen also nur die Lücken zwischen den elektrifizierten Abschnitten überbrücken – etwa, wo sich wegen eines Tunnels kein Fahrdraht verlegen lässt. "Zusätzlich oder alternativ lassen sie sich an 'Ladeinseln' aufladen", ergänzt Altwig. Ein durchgehendes Ladenetz wie beim französischen "Draisy"-Konzept ist also nicht nötig.

Baden-Württemberg ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Das Land hat für 16 nicht-elektrifizierte Streckenabschnitte untersucht, welches die beste Alternative zu Dieselantrieben wäre. Dabei flossen volkswirtschaftliche Gesichtspunkte ein, aber auch "ergänzende strategische Aspekte, wie beispielsweise der Lückenschluss zwischen bestehende Strecken mit Oberleitung, mögliche Funktion im Güterverkehr beziehungsweise die Option für Umleitungsverkehre", heißt es in der Pressemeldung.

In keiner der untersuchten Strecken konnte sich Wasserstoff durchsetzen. Meist war die günstigste die Kombination von Akkus mit Oberleitungen. Dafür sei lediglich "die Elektrifizierung einzelner Streckenabschnitte nötig", so die Pressemeldung. "Für den Betrieb von Wasserstoff-Hybrid-Zügen wäre eine entsprechende Tankstelleninfrastruktur beziehungsweise Produktionsstandorte für grünen Wasserstoff zu errichten." Bereits jetzt lasse sich feststellen, dass Wasserstoff-Hybrid-Züge "in naher Zukunft aufgrund diverser betrieblicher und wirtschaftlicher Gründe nicht weiter in Betracht gezogen werden".

(grh)